Vorsicht! Edelstahl ist nicht gleich Edelstahl!

In Deutschland werden viele Edelstähle mit „Edelstahl rostfrei“ beworben. Viele Segler oder Bastler haben jedoch schon festgestellt, dass angeblich rostfreie Edelstahlbeschläge nach einer Saison im Salzwasser braun anlaufen und die schöne glänzende Oberfläche rostet. Dieser Blogbeitrag erklärt, worauf du beim Kauf achten solltest, damit die Beschläge an deinem Boot dauerhaft glänzend bleiben und einwandfrei funktionieren.

Werkstoffnummer: Die eindeutige Identifikation

Die Qualität eines Edelstahls sollte über die Werkstoffnummer auf der Verpackung gekennzeichnet sein. Diese fünfstellige Nummer erlaubt nach europäischer Norm ISO 3506 eine eindeutige Identifikation.

Aufbau der Werkstoffnummer:

  • Erste Ziffer: Hauptgruppe des Werkstoffs
    • 1 = Stahl
  • Zweite Ziffer: Untergruppe (z. B. spezielle Anwendungen)
    • 00–09: Unlegierte Stähle
    • 10–19: Edelbaustähle
    • 20–89: Legierte Stähle
    • 90–99: Hochlegierte Stähle
  • Dritte bis fünfte Ziffer: Fortlaufende Nummer zur Identifikation des genauen Stahls

Beispiel für einen nicht seewasserfesten Edelstahl: 1.4301

  • 1 = Stahl
  • 4 = Hochlegierter Stahl (Chrom-Nickel-Stahl)
  • 301 = Konkrete Stahlsorte (z. B. X5CrNi18-10)

Beispiel für einen seewasserfesten Edelstahl: 1.4404

  • 1 = Stahl
  • 4 = Hochlegierter Stahl (Chrom-Nickel-Molybdän-Stahl)
  • 404 = Konkrete Stahlsorte (z. B. X2CrNiMo17-12-2)

Für eine genauere Bestimmung hilft ein Blick in die Norm DIN EN 10027.

Da das System der Werkstoffnummern komplex ist, verwendet man vereinfachte Bezeichnungen wie A1, A2, A3, A4 und A5.

Vereinfachte Einteilung nach Korrosionsbeständigkeit und mechanischen Eigenschaften

Das entscheidende Kriterium für die Einteilung von A1 bis A5 ist die chemische Zusammensetzung, insbesondere der Gehalt an Nickel (Ni), Chrom (Cr) und Molybdän (Mo), da diese die Korrosionsbeständigkeit und mechanischen Eigenschaften der Edelstähle bestimmen. Die gebräuchlichsten Edelstähle nach dieser Einteilung sind A2 (alte Bezeichnung V2A) und A4 (alte Bezeichnung V4A). Und natürlich verwendet man in Amerika andere Bezeichnungen für Stähle.

A2, nicht seewasserbeständig,  amerikanische Norm AISI 304

Ein Beispiel für einen Edelstahl der Güte A2 ist 1.4301 nach DIN EN 10027-3 (auch X5CrNi18-10 oder AISI 304). Dieser Stahl enthält 18 % Chrom und 10 % Nickel, was ihn in normaler Umgebung korrosionsbeständig macht. Im Salzwasser kann er jedoch durch Chloride korrodieren.

Diese Stähle werden häufig verwendet. In Baumärkten und im Fachhandel werden sie unter der Bezeichnung “Edelstahl rostfrei” angeboten. Das trifft für die meisten Anwendungen zu, jedoch sind diese Edelstähle für den maritimen Einsatz nicht geeignet. Bei zu niedrigem Chromgehalt (unter 12 %) entsteht schon im Süßwasser Flugrost. Und da kein Molybdän enthalten ist, sind sie auch nicht seewasserbeständig.

A4, AISI 316  – seewasserbeständig, amerikanische Norm AISI 316

Ein Beispiel für A4-Edelstahl ist 1.4404 nach DIN EN 10027-3 (auch X2CrNiMo17-12-2 oder AISI 316L). Dieser Stahl enthält 17 % Chrom, 12 % Nickel und Molybdän, wodurch er deutlich widerstandsfähiger gegen Chloride ist. Molybdän verhindert Lochfraß und schützt vor Spannungsrisskorrosion, die besonders für Wanten und Stage gefährlich sind.

Aber Vorsicht: Die Spannungsrisskorrosion hat ihre Tücken. Für den Segler ist es sehr schwierig, die Gefahr einzuschätzen, da die Beschädigung von außen nicht sichtbar und ihr Auftreten daher schwer abschätzbar ist. Nach vielen Jahren im Einsatz reißt plötzlich die Luvwante bei normaler Belastung und der Mast bricht als Folge. Einflussfaktoren, welche die Spannungsrisskorrosion fördern, sind die Spannung/ Dehnung des Bauteils, ein hoher Säuregehalt und hohe Temperaturen. Deshalb sollte spätestens nach 10 Jahren das stehende Gut auf Segelyachten zur Sicherheit ausgetauscht werden.

Vergleich wichtiger Edelstahlgüten

NormWerkstoffnummerChemische ZusammensetzungNporm USAEigenschaften
Nicht-seewasserfester Edelstahl A2 (V2A)
DIN EN 10088-11.4301X5CrNi18-10304Anfällig für Chloridkorrosion (z. B. Lochfraß)
1.4307X2CrNi18-9304L
1.4401316
Seewasserfester Edelstahl A4 (V4A)
DIN EN 10027-21.4404X2CrNiMo17-12-2316LSehr hohe Beständigkeit gegen Lochfraß und Spannungsrisskorrosion
1.4571X6CrNiMoTi17-12-2316Ti
1.4462X2CrNiMoN22-5-3317L

Warum ist A4 (V4A) besser für maritime Anwendungen?

  • Höherer Molybdängehalt (Mo): Bessere Widerstandsfähigkeit gegen Lochfraß in Salzwasser.
  • Erhöhter Nickel- und Stickstoffanteil: Stabilisiert die Passivschicht und reduziert Spannungsrisskorrosion.

Fazit

A2 (V2A)-Edelstahl, z. B. 1.4301 (AISI 304), ist für den dauerhaften Einsatz in Salzwasser ungeeignet, da er durch Chloride schnell korrodiert. Für maritime Anwendungen ist A4 (V4A), z. B. 1.4404 (AISI 316L), ist erheblich teurer, jedoch die deutlich bessere Wahl. Er schützt dauerhaft vor aggressiven Angriffen der Seewasserumgebung. Eine 100 %-ige Sicherheit gibt es aber auch bei A4 Edelstahl nicht, da die an stark belasteten Bauteilen auftretende Spannungsrisskorrosion von außen nicht sichtbar ist. Für unsere kleinen Segelkanus spielt das jedoch keine Rolle, da die Materialbelastung für die Edelstahlkomponenten klein ist und so keine Bruchgefahr besteht. Der A4 Edelstahl ist für Kanusegler eine sichere Wahl.

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