Ein Beitrag von Faltbootseglerin Mirjam:
Beim 5. Internationalen Faltboot-Segelcriterium am 11. Juli 2020 ist Vieles neu: erstmals wird in Neuhof gestartet, vom neuen Segelcampus. Mit neuem Logo und vielen neuen Ideen.
Auf dem em²-Segelcampus,
einem riesigen Gelände bei der Marina Neuhof – also in direkter Nachbarschaft zu den großen und nicht faltbaren Verwandten unserer Boote, ist in den letzten Wochen dank dem unermüdlichen Einsatz der em²-Crew und ihrer Helfer viel passiert: das Gelände, welches vorher viele Jahre ungenutzt brach lag, ist nun gemäht, die Büsche und Sträucher geschnitten, es gibt ein Ess- und Küchenzelt mit allem Drum und Dran, ein Werkstattzelt, sanitäre Anlagen (kein Dixi-Klo, sondern was Gescheites) eine große Feuerstelle und jede Menge Platz für Busse, Zelte und Boote oder zum Fußball spielen.
Als ich am Vorabend des Events ankomme, sind die meisten Segler schon da, einige sogar schon recht lange und das trotz des miesen Wetters. Die Stimmung auf dem Campus wirkt fröhlich, entspannt und gut gelaunt. Die lustige Runde besteht aus Seglern mit Familien, Freunden und einem Hund.
Es wird an den Booten gebaut und gebastelt, kleine Reparaturen improvisiert und gefachsimpelt, man tauscht sich aus und hilft sich gegenseitig. Wenn es mal wieder regnet, sitzen wir im Küchenzelt trocken zusammen. Einige Gesichter kenne ich vom Vorjahr (ich bin erst das zweite Mal dabei) und einige sind neu, aber über die gemeinsame Begeisterung für das Faltboot/Kanusegeln lernt man sich schnell kennen.
Abends wird es trockener, aber der Wind nimmt auch spürbar zu. Für den nächsten Tag ist noch mehr Wind angesagt, immerhin sind wir an der Ostsee. Die Ersten werden etwas nervös und überlegen, ob sie überhaupt mitfahren sollen. Bei Lagerfeuer, Leckereien vom Grill und Livemusik wird diese Entscheidung vertagt.
Vorbereitungen, die Spannung steigt!
Am nächsten Morgen ist der Wind aus meiner Anfänger-Perspektive respekteinflößend, aus Profi-Sicht „ganz nett“ bzw. gerade richtig. Nach einem gemütlichen Frühstück zur Stärkung ist Steuermannsbesprechung. Mit Hilfe von Seekarten, Zeichnungen und Erklärungen wird die Regatta-Strecke verdeutlicht. Der Kurs für das erste Criterium auf „hoher See“ oder zumindest im Salzwasser hat seine Tücken, Aufregung macht sich breit. Für die Sicherheit gibt es ein motorisiertes Begleitboot und vor dem Start werden noch schnell Lenzgefäße verteilt.
Am Ende entschließen sich doch alle fürs Mitsegeln und so sind dieses Jahr (trotz Corona) immerhin 9 Boote dabei. Kurz vor Regattabeginn tummeln sie sich in der aufgewühlten Ostsee vor der Startlinie und versuchen noch schnell ein paar Übungsschläge zu fahren. Ich fahre zum ersten Mal mit Ausreitbrett und das „oben sitzen“ ist zunächst sehr ungewohnt, alles reagiert etwas anders am Boot. Zum Glück ist aber gestern Nacht noch meine Vorschoterin angereist, die trotz der anfangs missglückten Manöver ganz entspannt bleibt. Bei der em² Crew scheint es andere Probleme zu geben – die Tröte ist weg und das kurz vor dem Start!
Das Rennen
wird daher kurzentschlossen mit einem Trompeten-Signal gestartet, blöderweise gerade dann, als wir weit abseits der Startlinie in einer Ecke festhängen, in der der Wind scheinbar von zwei Seiten kommt. Aber irgendwann sind wir drüber und dann läuft’s. Das Kreuzen bis zum Hafen hat es in sich, die Hafeneinfahrt zu treffen ist gar nicht so leicht. Unsere Zuschauer sind mittlerweile an Land zum Hafen gelaufen und begrüßen nun jedes Boot, dass die Hafeneinfahrt passiert mit großem Hallo. Das motiviert sehr! Nun gilt es, die Boote durch den Hafen zu manövrieren, dahinter eine Tonne zu finden und zu umrunden, in deren näherer Umgebung fiese Untiefen lauern. Jetzt bloß nicht auf Grund laufen…Aber dann ist auch das geschafft und nun geht es an die großen Strecken über den Strelasund mit Blick auf Rügen im Hintergrund. Hier im offeneren Fahrwasser ist der Wind deutlich stärker und die Wellen setzen dem Boot ganz schön zu. In einiger Entfernung sehen wir die Profis, die wie erwartet das Feld anführen. Sie sind kurz vor der Küste von Rügen auszumachen, wo sie eine Boje umrunden. Also ab hinterher! (Ein Fehler, wie sich später herausstellen sollte, die „richtige“ Boje wäre viel näher gewesen) Die Strecke ist ganz schön weit, aber es geht sehr flott voran. Die Vorschoterin hat bald keinen trockenen Faden mehr am Leib, so gehen die Wellen über den Bug, der hin und wieder komplett unter Wasser ist, wenn eine Welle übers Boot rollt. Irgendwann erreichen auch wir die besagte Boje, die zwar nicht wie angegeben rot-weiß ist, aber immerhin rot. Das nächste Ziel ist nicht zu übersehen, ein riesiger Strommast mitten im Sund. Der Weg dorthin auf Raumschot-Kurs scheint uns nochmal rasanter, so dass wir voll mit uns und der Kontrolle des Boots beschäftigt sind. Nur aus dem Augenwinkel können wir beobachten, wie sich an der Ziellinie bereits die ersten Boote ein Kopf-an-Kopf-Rennen liefern. Nach der Umrundung des Strommastes noch ein paar mühsame Schläge so hart am Wind wie möglich, um wieder etwas Höhe zu laufen. Dann ist es geschafft und wir werden als 4. mit einem Trompetensolo im Ziel begrüßt – was für ein toller Empfang!
Jetzt heißt es: das Boot ausschöpfen, denn es hat ganz schön Wellen eingesammelt. Währenddessen wird es wieder spannend, denn das Vater-Sohn-Boot (ohne Ausleger!) und der Klepper mit den blauen Segeln liefern sich auf den letzten Metern ein sehr enges Rennen, dass der Klepper ganz knapp für sich entscheiden kann.
Schließlich sind alle Boote und Besatzungen wieder heil im Ziel angekommen und jedes Boot wird dabei musikalisch begrüßt. Eine Kenterung gibt es zu vermelden, aber zum Glück ohne größere Schäden, dank der Rettungsmannschaft!
Nach dem Rennen…
wird es gemütlicher. Boote und hungrige Mägen versorgen, ein bisschen entspannen. Abends wird gemeinsam gekocht und an langer Tafel gegessen, am Lagerfeuer verkürzen uns die Kinder mit einem Krimi-Rätsel inklusive der Suche nach Beweismitteln die Wartezeit vor der Siegerehrung. Die Ergebnisse sind vorne rum keine große Überraschung. Das Laserschwert für die Festboot-Kategorie bleibt bei seinem Vorbesitzer.Bei den Faltbooten holt sich die Passat-Jolle den ersten Platz, die Ränge 2 und 3 bleiben in Händen der em²-Crewmitglieder. Die Preise sind neben den Altbekannten eher praktischer Natur. So gibt es neben Lenzgefäß und Schwamm beispielsweise schöne Windspione zu gewinnen, oder eine essbare Stärkung für den jüngsten Mitsegler. Am Lagerfeuer tauschen wir bis spät in die Nacht Eindrücke, Erinnerungen und Ideen aus.
Das 5. Internationale Faltboot-Segelcriterium war ein schönes und aufregendes Erlebnis, das mit tollen Eindrücken in Erinnerung bleiben wird! Zu verdanken ist dies vor allem der em²-Crew + Helfern, die im Vorfeld das Ganze auf die Beine gestellt haben, sowie allen Beteiligten, die mitgesegelt, mitgekocht, abgewaschen, eingekauft, aufgeräumt, Holz gehackt, Fotos gemacht, Rettungsboot gefahren, Trompete gespielt, Rätsel erdacht oder sonst irgendwie zu guter Laune und zum Gelingen dieses Events beigetragen haben!
Bis zum nächsten Criterium (oder vielleicht auch früher?!)
Ahoi
Mirjam